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Der WWF untersucht einen Doppelmord in einem mit deutschen Steuermitteln finanzierten Naturschutzpark

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Parkwächter sollen einen Doppelmord verübt haben, unter Aufsicht des WWF. Deutsche Behörden finanzierten die Parkwächter mit – und sind schon seit Monaten informiert.

Eine Abschlusszeremonie während der Ausbildung neuer Parkwächter im Salonga Nationalpark. © Eriksson / WWF DRC / Via salonga.org

Der WWF untersucht Vorwürfe, wonach unter seiner Aufsicht stehende Parkwächter einen Doppelmord verübt haben sollen. Das bestätigte der WWF gegenüber BuzzFeed News. Das deutsche Entwicklungshilfeministerium (BMZ), das den betroffenen Park über die bundeseigene Förderbank KfW mitfinanziert, ist seit Monaten über den Vorfall informiert.

Vergangene Woche hatte BuzzFeed News die Inhalte eines vertraulichen Berichts des WWF veröffentlicht, der bereits andere schwerwiegende Vorwürfe aus dem Salonga Nationalpark untersucht. Es geht um Gruppenvergewaltigungen schwangerer Frauen, brutale Folter und Gewalt gegen Einheimische und auch Mord. Der Bericht bestätigt sämtliche Vorwürfe, führt Zeugenaussagen und Beweise an und nennt die Namen von zwölf Rangern als Beschuldigte. Die benannten Parkwächter wurden auch mit deutschen Steuermitteln finanziert.

Doch die Ermittler, die vom WWF mit den Untersuchungen dieser Vorwürfe beauftragt worden waren, klagten, sie hätten ihre Untersuchung in viel zu kurzer Zeit durchführen müssen. Hinweisen auf neuere Verbrechen hätten sie nicht nachgehen dürfen. Einer der Ermittler habe den Park sogar überstürzt verlassen müssen, nachdem die Polizei ihn gewarnt hatte, Parkwächter würden ihn aus Rache für seine Ermittlungen töten wollen.

WWF räumt zweite Untersuchung ein - diesmal geht es um Mord

Nun räumte der WWF gegenüber BuzzFeed News ein, dass es eine zweite Untersuchung geben soll. Eine neue Gruppe von Ermittlern solle in den Park entsandt werden, um jene Vorwürfe zu untersuchen, nach denen im Juli 2017 ein Mann erschossen worden und ein anderer zu Tode geprügelt worden sein soll – ebenfalls von Parkwächtern. Zu diesem Zeitpunkt war der WWF bereits Co-Manager des Parks, gleichberechtigt mit den kongolesischen Behörden, und hatte damit auch die Aufsicht über die Parkwächter.

Der Park wurde zum damaligen Zeitpunkt auch aus deutschen Steuermitteln finanziert. Ein Sprecher des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) bestätigte gegenüber BuzzFeed News: „Das BMZ ist im März 2019 von der KfW über einen Vorfall im Nationalpark Salonga mit zwei Todesfällen informiert worden, der auf das Jahr 2017 datiert wird.“ Da der WWF angekündigt habe, diese Vorfälle zu untersuchen, wolle man zunächst die Ergebnisse dieser Untersuchung abwarten, bevor man sich zu Konsequenzen äußere.

Recherchen von BuzzFeed News zufolge wurde der WWF im Mai 2019 mit den Vorwürfen konfrontiert. Der Hinweis kam von der britischen Rainforest Foundation (RFUK), einer von dem Sänger Sting und seiner Frau gegründeten Stiftung zum Schutz des Regenwalds. Wenn die deutschen WWF-Partner von KfW und BMZ nun erklären, sie seien schon im März informiert gewesen, steht die Frage im Raum, was seitdem geschehen ist.

Ein Mann sei „an Ort und Stelle erschossen“ worden, ein anderer so „schwer geschlagen“, dass er „zwei Tage später seinen Verletzungen erlegen“ sei.

Simon Counsell, Chef der RFUK, hatte sich im Mai in einem Brief an Marco Lambertini, Generaldirektor des WWF, gewandt. Darin schrieb er unter anderem über den angeblichen Doppelmord: Ein Mann sei „an Ort und Stelle erschossen“ worden, ein anderer so „schwer geschlagen“, dass er „zwei Tage später seinen Verletzungen erlegen“ sei.

Counsell schrieb weiter, es sei zwar eine Anzeige an den örtlichen Staatsanwalt gegangen, „welcher offenbar einige Parkwächter für eine Befragung vorgeladen“ habe. Diese Parkwächter seien jedoch nicht erschienen, so Counsell.

Als Reaktion auf die Veröffentlichung von BuzzFeed News vergangene Woche erklärte der WWF nun, man habe diese zweite Untersuchung in die Wege geleitet, für die noch in diesem Sommer Vor-Ort-Untersuchungen durchgeführt werden sollen. Fragen von BuzzFeed News, welchen Vorwürfen diese zweite Untersuchung genau nachgehen soll, hatte der WWF bislang nicht beantwortet.

„Wir sind zutiefst besorgt über die von angeblichem Missbrauch Betroffenen, und wie wir bereits zuvor gesagt haben, werden wir bei allen Vorwürfen entschlossen handeln und den Behörden bei Bedarf Bericht erstatten“, so ein WWF-Sprecher.

Anfang März hatte eine internationale Recherche von BuzzFeed News gezeigt, wie der WWF Parkwächter finanziert, die zahlreiche Menschen verletzt, gefoltert, sexuell missbraucht und ermordet haben sollen. Diese Menschen leben in der Nähe von Naturschutzparks in Afrika und Asien. Als Reaktion auf die Vorwürfe hatte der WWF eine umfassende Untersuchung unter dem Vorsitz eines ehemaligen UN-Hochkommissars für Menschenrechte angekündigt. Die deutsche Sektion des WWF hatte eine eigene Untersuchung zur Einhaltung von Menschenrechten beauftragt.

WWF wollte Bericht vor deutschen Behörden zurückhalten

Sowohl die letzte Vor-Ort-Untersuchung als auch der betroffene Park Salonga in der demokratischen Republik Kongo werden von der bundeseigenen Förderbank KfW mitfinanziert. BuzzFeed News vorliegende Dokumente zeigen, dass zwischen WWF, RFUK und KfW ursprünglich vereinbart worden war, den Bericht darüber allen Partnern zur Verfügung zu stellen. Doch als dieser vorlag, teilte der WWF seinen Partnern plötzlich mit, sich an diese Vereinbarung nicht mehr halten zu wollen. Erst auf Druck erklärte sich der WWF bereit, eine Papierkopie zur Verfügung zu stellen – unter der Auflage „strengster Vertraulichkeit“.

Die deutsche Entwicklungsbank KfW hat Salonga im Auftrag der Bundesregierung seit 2016 mit 5,4 Millionen Euro unterstützt. Auch von der US-Regierung sind etliche Millionen geflossen. Die Mittel sollen dabei helfen, Wilderer zu bekämpfen. Der WWF ist Co-Manager des Parks und übernimmt, gleichberechtigt mit der kongolesischen Regierung, die Kontrolle über den Park und sein Personal. Ein WWF-Mitarbeiter wurde 2016 zum Chef des Parks ernannt und ist damit auch verantwortlich für Hunderte von Parkwächtern, die Polizeibefugnisse haben.

Nach den Veröffentlichungen durch BuzzFeed News sieht sich der WWF mittlerweile einer Vielzahl von Untersuchungen gegenüber. Führende Mitglieder eines Untersuchungskomitees des US-Kongresses erklärten, sie wollten „die Anschuldigungen mit Nachdruck verfolgen und aufklären, welche Rolle das Geld der Steuerzahler bei der Unterstützung von Aktivitäten gespielt haben könnten, die zu diesen Gräueltaten geführt haben“. Auch die „Charity Commission“ der britischen Regierung hat eine Untersuchung in die Wege geleitet.

Mehr zum Thema

- BuzzFeed News hatte nach einer jahrelangen internationalen Recherche über Vorwürfe schwerster Menschenrechtsverletzungen in Naturschutzgebieten berichtet, darunter Mord, Folter und Gruppenvergewaltigungen. Beschuldigt wurden Parkwächter eines Parks, den der WWF gemeinsam mit staatlichen Behörden leitet und der auch mit Geld der deutschen KfW finanziert wird.

- Der WWF soll darüber hinaus Einwände der indigenen Bevölkerung gegen die Errichtung eines neuen Parks unterschlagen haben, um so EU-Fördermittel zu erlangen. Die vor Ort siedelnden Indigenen hatten Befürchtungen geäußert, ein neuer Park könnte zu mehr Gewalt und Repressalien durch Parkwächter führen.

- Erst im Mai wurden neue Vorwürfe gegen Parkwächter in einem von Deutschland finanzierten Naturschutzgebiet namens „Kahuzi Biega“ laut.

- Nachdem die KfW sich geweigert hatte, Informationen dazu herauszugeben, klagte BuzzFeed News auf Herausgabe von Unterlagen.

- Die Recherche hatte eine internationale Berichterstattung nach sich gezogen. Diverse WWF-Sektionen kündigten daraufhin an, externe Untersuchungen in die Wege zu leiten. Die Ergebnisse einer Vor-Ort-Untersuchung allerdings – die sämtliche Vorwürfe erhärteten – versuchte der WWF geheim zu halten .

- Nur wenig später räumte der WWF ein, eine zweite Untersuchung in Auftrag gegeben zu haben. Ein Mann war im Juli 2017 von Parkwächtern im Salonga Nationalpark erschossen worden, ein anderer wurde totgeprügelt.

Dieser Artikel erschien auch auf Englisch.

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