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Der Spiegel geht mit einer Mitarbeiter-Umfrage gegen sexuelle Belästigung im eigenen Haus vor

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Andere Redaktionen und Verlage sehen keinen Bedarf für Änderungen.

Der Spiegel-Verlag hat als Reaktion auf die MeToo-Debatte Anfang Dezember eine 30-köpfige interne Kommission gegründet. Der Verlag will erarbeiten, wie künftig im Haus mit Sexismus und sexueller Belästigung umgegangen wird. BuzzFeed News veröffentlicht hier den Abschlussbericht der Kommission.

Laut Informationen von BuzzFeed News werden derzeit alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sexueller Belästigung und Sexismus befragt. Die Ergebnisse dieser Umfrage sollen bereits in den kommenden Wochen intern veröffentlicht werden. Auch ein externes Gesprächsangebot für Opfer von Sexismus oder sexualisierter Gewalt ist bereits eingerichtet und wird von einem externen Dienstleister durchgeführt.

Damit zieht der Spiegel nach Recherchen von BuzzFeed News als erster großer deutscher Verlag konkrete Konsequenzen aus der MeToo-Debatte. Ein halbes Dutzend Verlage, von Axel-Springer bis zur Funke Mediengruppe, sehen keinen Bedarf für Veränderungen.

Der MeToo-Abschlussbericht der Spiegel-Kommission

Diese 4 Maßnahmen schlägt die Kommission der Geschäftsführung und den Chefredaktionen vor:

1. Es soll ein externes Gesprächsangebot für Betroffene geben

Betroffene, aber auch „Führungskräfte mit Gesprächsbedarf“ sollen sich persönlich oder telefonisch an psychologisch geschulte externe Ansprechpartner wenden können. Laut Informationen von BuzzFeed News ist dieses Angebot bereits eingerichtet.

2. Es sollen verbindliche Regelungen gegen sexuelle Belästigung beschlossen werden

„Es geht um Macht“, schreibt die Kommission. „Deshalb müssen wir die – durch unsere siebzigjährige Geschichte – tief verwurzelten Machtstrukturen beim Spiegel freilegen und sichtbar machen.“ Die Geschäftsführung müsse einen gezielten Gesprächsprozess organisieren, um das Thema im Haus für die Vergangenheit aufzuarbeiten, den Status quo festzustellen und für die Zukunft eine Kultur von gegenseitigem Respekt, Offenheit und Kreativität sicherzustellen.

3. Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sollen zu sexueller Belästigung und Sexismus befragt werden

Ziel der anonymen und freiwilligen Umfrage zu sexueller Belästigung und Sexismus soll sein, mit „den Ergebnissen das Haus zu sensibilisieren und [...] Problemschwerpunkte im Haus zu identifizieren“. Diese Befragung wird bereits durchgeführt, Ergebnisse sollen in den kommenden Wochen vorliegen.

4. Es soll eine Aufarbeitung geben

Unter diesem Punkt schreibt die Kommission: „Keine Angst vor der Wahrheit. Der erste Schritt zur Lösung des Problems ist das Eingeständnis, dass man ein Problem hat.“ Sie fordert, dass in einem historischen Bericht Macht und Machtmissbrauch im Spiegel der vergangenen 70 Jahre aufgearbeitet werden sollen. Außerdem soll es einen Film- oder Audiobeitrag geben, in dem Kolleginnen und Kollegen über alltäglichen Sexismus im Spiegel sprechen. Führungskräfte sollen an einer verpflichtenden Schulung teilnehmen müssen.

Wie sieht es in anderen Redaktionen und Verlagen aus?

In den vergangenen Wochen wurden mehrere WDR-Mitarbeiter nach Vorwürfen sexueller Belästigung entlassen. Eine Umfrage des Fachmagazings Journalist hatte gezeigt, dass es auch bei anderen Sendern Fälle sexueller Belästigung gegeben hat. Print- und Onlinemedien haben sich in der Debatte bisher noch nicht geäußert.

BuzzFeed News hat deshalb neun der größten Zeitungsverlage und Medienunternehmen Deutschlands gefragt, wie sie mit dem Thema sexualisierte Gewalt, Belästigung und Machtmissbrauch umgehen. Das sind die Antworten:

Axel Springer: „kann noch verbessert werden“

„Unsere Aussagen beziehen sich auf das Vorgehen bei Axel Springer generell und nicht speziell in Bezug zu bestimmten Redaktionen. Axel Springer bietet unternehmensübergreifend allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seit geraumer Zeit verschiedene Compliance-Meldekanäle, um auf Missstände im Unternehmen hinzuweisen, was selbstverständlich auch Vorfälle wie Diskriminierung am Arbeitsplatz, Machtmissbrauch oder sexuelle Belästigung umfasst. [...] Für diverse persönliche Notlagen arbeitet Axel Springer mit einem qualifizierten externen Anbieter zusammen. Künftig wird dieser, falls notwendig, noch spezifischer die Fälle von sexueller Belästigung betreuen.

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[...] Zum anderen haben wir erkannt, dass für bestimmte Themen wie sexuelle Belästigung, Diskriminierung oder Machtmissbrauch die bestehenden Meldemöglichkeiten noch verbessert werden können. Hier setzen wir derzeit an, um zusätzliche interne und externe Kanäle für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schaffen.“

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Auf die Frage, wie viele Fälle von sexualisierter Gewalt, Belästigung oder Machtmissbrauch bei Axel Springer SE und speziell bei Welt und Bild in den vergangenen fünf Jahren gemeldet wurden, antwortet die Pressestelle:

Wir bitten um Verständnis, dass wir die Anonymität der Betroffenen wahren und grundsätzlich keine Informationen zur Anzahl und Art der Beschwerden herausgeben. Grundsätzlich prüfen wir bei Axel Springer Vorwürfe von sexueller Gewalt, Belästigung oder Machtmissbrauch sehr sorgfältig und mit einer „Null-Toleranz“-Regelung.

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Die Zeit: „Kein einziger Fall bekannt“

„Wir diskutieren im Verlag und in der Redaktion immer wieder, was wir noch tun können, um Diskriminierungen aller Art vorzubeugen. Die „Me-Too“-Debatte hat dieses Thema natürlich auch bei uns erneut auf die Tagesordnung gebracht. Wir wollen diese Diskussion aber zunächst intern führen und uns aus dem laufenden Prozess heraus nicht öffentlich äußern. Dafür bitten wir um Verständnis.

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Gruner + Jahr: „im Zuge der Me-Too-Debatte zum Glück keinen Fall gegeben“

„Gruner + Jahr akzeptiert keinerlei diskriminierendes Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Kunden, Auftragnehmern und Zulieferern. Entsprechende Leitlinien sind seit vielen Jahren in einem Code of Conduct niedergeschrieben, der für alle Mitarbeiter gilt. Je nach Dimension der Belästigung reichen die möglichen disziplinarischen Maßnahmen von der Abmahnung bis zur Kündigung. [...] Im Zuge der Me-too-Debatte hat es zum Glück keinen Fall bei uns gegeben.“

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Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Personen sind ausgeschieden“

„Die Unternehmenskultur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist maßgeblich geprägt von einem wertschätzenden, höflichen und korrekten Umgang miteinander. Daher werden bei uns Übergriffe und Fehlverhalten jeglicher Art nicht geduldet.

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SWMH-Unternehmensgruppe (u.a. Süddeutscher Verlag): „wird sehr ernst genommen“

„Diese Thematik wird bei uns in der SWMH in allen Unternehmen selbstverständlich sehr ernst genommen. Es gibt Beschwerdestellen und Ansprechpartner für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“

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Funke-Mediengruppe: „feste Anlaufstellen“

„Mit Blick auf sexuelle Übergriffe [...] bietet die Mediengruppe eine institutionalisierte Möglichkeit zu reagieren, um für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein anständiges und angenehmes Arbeitsumfeld zu gewährleisten. Für den Fall, dass es zu Übergriffen kommen sollte, sind für Betroffene feste Anlaufstellen eingerichtet: So haben Betroffene die Möglichkeit, sich intern an die Compliance-Abteilung zu wenden, oder extern eine benannte Anwaltskanzlei zu kontaktieren.“

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Hubert Burda: „'Null-Toleranz'- Regelung“

„Unsere Mitarbeiter rufen wir dazu auf und ermutigen sie, Missstände oder Fehlverhalten, die diesen Werten entgegen stehen, unverzüglich anzusprechen – dazu zählen auch sexuelle Belästigung sowie Sexismus am Arbeitsplatz. Verhalten dieser Art wird in unserem Unternehmen unter keinen Umständen geduldet – es gilt eine „Null-Toleranz“- Regelung.

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Die Madsack Mediengruppe teilte BuzzFeed News telefonisch mit, dass sie in absehbarer Zeit keine Antworten geben könne, da das 125-jährige Firmenjubiläum bevorstehe. Antworten tragen wir hier gegebenenfalls nach.

Habt ihr sexuelle Belästigung, Sexismus oder Machtmissbrauch in Redaktionen oder der Medienbranche erlebt? Dann schreibt unserer Reporterin, Pascale Müller: pascale.mueller@buzzfeed.com.

KORREKTUR

21.06.2018, 16:33

In einer früheren Version dieses Artikels hatten wir die Stellungnahme von Hubert Burda nicht berücksichtigt, obwohl Hubert Burda uns diese bereits zugeschickt hatte. Die Email mit der Stellungnahme ist versehentlich im Spam-Ordner gelandet, worauf Hubert Burda uns hingewiesen hat. Daraufhin haben wir diese ergänzt.

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