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Exklusiv: Die FDP fordert von der Bundesregierung, LGBT*s in der EU besser zu schützen

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In einem Antrag werden konkrete Sanktionsmaßnahmen gefordert, um Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle vor Strafverschärfungen zu schützen.

Mit einem Antrag an die Bundesregierung will die FDP die Rechte von LGBT*s in der EU stärker schützen. LGBT*s sind in vielen EU-Mitgliedsstaaten mit Diskriminierung, Belästigung, Intoleranz, Hass und Hasskriminalität konfrontiert. Der Antrag, welcher BuzzFeed News exklusiv vorliegt, umfasst neun Maßnahmen, mit welchen sich die Bundesregierung befassen soll.

Konkret werden von der FDP Sanktionsmaßnahmen gefordert: So solle etwa geprüft werden, ob Budgethilfen gestrichen und die Zusammenarbeit mit staatlichen Einrichtungen beendet werden können, wenn es zu Strafverschärfungen gegen LSBTI in EU-Ländern kommt.

Sanktionsmaßnahmen gegen EU-Mitgliedsstaaten, die LGBT*s diskriminieren und verfolgen

Jens Brandenburg, der queerpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, schreibt BuzzFeed News, die EU-Wahl und die politische Radikalisierung in anderen europäischen Demokratien zeigt, wie zerbrechlich vermeintlich selbstverständliche Minderheitenrechte sein können. „Politische Stimmungslagen dürfen nicht zur Gefahr für Freiheit und Würde des Einzelne werden. Dafür muss sich die Bundesregierung mit aller Konsequenz einsetzen.“

In dem Antrag werden weitere Forderungen gestellt, für die sich die Bundesregierung im EU-Ministerrat einsetzen soll. Dazu gehören etwa das Recht auf Versammlungsfreiheit für Demonstrationen und besserer Schutz für Menschen, die auf Grund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität verfolgt werden und in die EU flüchten. Gesetze und Regeln gegen rassistische Diskriminierung sollen auch für die Diskriminierung von LGBT*s gelten.

Zudem sollen gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften und Ehen mit allen Rechtsfolgen in der EU anerkannt werden. Im Juli 2018 entschied der Europäische Gerichtshof, dass auch Nicht-EU-Bürger*innen, die mit EU-Bürger*innen verheiratet sind, dauerhaft in der EU bleiben dürfen. Es gibt jedoch keine Verpflichtung, die Ehen anzuerkennen und gleichgeschlechtlichen Ehepaaren die gleichen Rechte einzuräumen.

Jens Brandenburg sagt gegenüber BuzzFeed News, zu lange habe die Bundesregierung die Augen vor Diskriminierung von LGBT*s in der EU verschlossen. „Noch immer werden gleichgeschlechtliche Ehen nicht in allen EU-Mitgliedsstaaten vollständig anerkannt. Im Ministerrat muss die Bundesregierung nun aktiv auf den Schutz von LSBTI-Rechten in der Europäischen Union hinwirken. Der Einsatz gegen Homo- und Transphobie darf keine Grenze kennen.“

Der Antrag der FDP, um geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in der EU zu schützen

Unterstützung aus den Bundestagsfraktionen

BuzzFeed News hat alle Fraktionen des Bundestages sowie die zuständigen Ministerien angefragt, wie sie einzelne Punkte des Antrags bewerten. Bis auf die AfD antworteten alle Fraktionen.

Jan Jan-Marco Luczak, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, schreibt BuzzFeed News, der Antrag der FDP greife wichtige Themen auf. Die gleichgeschlechtliche Ehe sei mittlerweile selbstverständlicher Teil der gesellschaftlichen Realität in Deutschland. „Das muss Ziel auch für allen anderen Mitgliedstaaten sein.“ Initiativen, die einen besseren Schutz beziehungsweise die Gleichstellung von LSBTI in Europa bezwecken, stehe er offen gegenüber.

Der queerpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Karl-Heinz Brunner, unterstützt die Initiative der FDP auch mit Blick auf Zugewinne konservativer und rechtspopulistischer Kräfte in den EU-Mitgliedsstaaten. „Wir wollen dafür sorgen, dass es mit der Gleichstellungspolitik vorwärts geht und nicht zurück in die
Vergangenheit.“ Die Punkte des Antrags unterstütze die SPD, schreibt Brunner in einer schriftlichen Antwort an BuzzFeed News. Brunner kritisiert jedoch, dass die FDP ihren Antrag im Alleingang veröffentlicht, er hätte sich für das Thema eine Zusammenarbeit gewünscht. „Keine Eigenbrötlereien, die im Parlament regelmäßig zum Scheitern verurteilt sind. Sowas hat die queere Community nicht verdient“, so Brunner.

Auch Doris Achelwilm, die queerpolitische Sprecherin der Linken, unterstützt viele Forderungen des Antrags, in einigen Punkten ginge er jedoch nicht weit genug. EU-weit solle etwa auch ein OP-Verbot an Kindern mit intergeschlechtlichen Merkmalen gefordert werden. Sanktionsmöglichkeiten halte sie für sinnvoll, die Empfehlungen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) müssten besser umgesetzt werden. „Wir unterstützen Vertragsverletzungsverfahren gegen die homophoben Regierungen in Polen und Ungarn.“

„Hass und Gewalt gegen LSBTI betrifft bedauerlicherweise auch Deutschland“

Sven Lehmann, queerpolitischer Sprecher der Grünen, schreibt BuzzFeed News, die Grünen forderten die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen und Lebenspartnerschaften in allen EU-Ländern. Dies wurde im Europaparlament wiederholt gefordert, im Rahmen der sogenannten Inter Group, die sich für LSBTI-Rechte einsetzt.

„EU-Staaten, in denen immer wieder von starker Diskriminierung, Hass und Gewalt gegen LSBTI berichtet wird, müssen dagegen mehr tun. Das betrifft bedauerlicherweise auch Deutschland“, schreibt Lehmann. Daher hätten die Grünen einen bundesweiten Aktionsplan in den Bundestag eingebracht. Dieser schließt auch Maßnahmen in der Außenpolitik mit ein.

Leider habe die FDP in der Vergangenheit wichtige Maßnahmen zum Schutz für LSBTI in Europa blockiert, schreibt Lehmann. „Es ist zynisch, Länder, wo bis zu drei Jahren Haft wegen Homosexualität droht, zu „sicheren“ Herkunftsländern erklären zu wollen und damit das Asylrecht für LSBTI aus diesen Ländern praktisch abzuschaffen.“

Ein Sprecher des Justizministeriums teilt per Email mit, die Bundesregierung trete gegenüber den anderen EU-Staaten dafür ein, dass registrierte gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften beziehungsweise gleichgeschlechtliche Ehen aus Deutschland in anderen EU-Mitgliedstaaten anerkannt werden. In erster Linie unterliege dies jedoch dem nationalen Recht der Staaten.

Zudem werde derzeit über eine neue Antidiskriminierungs-Richtlinie in der EU verhandelt. Um Schutzmechanismen der Antirassismus-Richtlinie auch auf sexuelle Ausrichtung anzuwenden, brauche es eine Einstimmigkeit im Rat, schreibt das Ministerium. „Die Verhandlungen dauern noch an.“

Der FDP-Antrag soll voraussichtlich kommende Woche in den Bundestag eingebracht werden. Das Auswärtige Amt wollte sich auf Anfrage von BuzzFeed News nicht mit einer Antwort zitieren lassen. Das Bundesfamilienministerium hat eine Antwort für Dienstagnachmittag angekündigt. Weitere Antworten tragen wir gegebenenfalls hier nach.

UPDATE

29.05.2019, 15:08

Das Bundesfamilienministerium schreibt per Email, Deutschland werde in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen, das Thema LSBTI werde dabei eine Rolle spielen. „Wir werden die Öffentlichkeit rechtzeitig über die konkreten Planungen informieren.“

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